Historischer Hintergrund
"Temporausch" bestimmte den Zeitgeist in den 1920er-Jahren. Motorisierung bedeutete technischen Fortschritt und Modernisierung. Mit dem eigenen Auto oder Motorrad Wochenendfahrten ins Grüne zu unternehmen, war jedoch ein Status, den trotz der erhöhten Produktion preisgünstiger Kleinwagen nur wenige erreichten. Das Motorrad vermittelte wie das Automobil den in der Weimarer Republik verbreiteten Glauben an technischen Fortschritt und Modernisierung.
War auch das Motorrad vor dem Ersten Weltkrieg noch ein Luxusartikel, so stiegen die Verkaufszahlen in den zwanziger Jahren stark an. Zwischen 1921 und 1924 erhöhte sich der Bestand von Motorrädern in Deutschland von knapp 26.700 auf rund 98.000 Maschinen. Knapp 800.000 Motorräder waren bis Mitte 1931 im Deutschen Reich zugelassen. Im Alltagsleben der Deutschen fand das Kraftrad Verwendung als schnelles, billiges und zuverlässiges Beförderungs- und Transportmittel. Die Neckarsulmer Fahrzeugwerke AG (NSU) setzte als erstes deutsches Unternehmen zum Zweck der Rationalisierung und Typennormung im Motorradbau das Fließband ein. Die 1927 gebaute "NSU 251 R" war ab Werk mit einem 250-ccm-Motor ausgestattet. Er wurde später gegen einen - ab 1928 produzierten - 200-ccm-Motor ausgetauscht: Maschinen bis zu dieser Hubraumgröße waren führerscheinfrei.
Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es, ein Volk wieder zu motorisieren. Dies wurde nicht nur mittels der 250ccm-Mobile, die man mit dem alten Führerschein der Klasse 4 fahren durfte, sondern auch durch den erfolgreichen Verkauf von Zweirädern, umgesetzt.
Um einen möglichst breiten Käuferkreis zu erschließen, wurde zum 01.01.1953 eine neue Hubraumklasse eingeführt: 50ccm! Damit war der Definition jedoch noch nicht Genüge getan, denn der Gesetzgeber hatte eine konkrete Vorstellung davon, wie die 50ccm Verwendung zu finden hatten. So bot man diese entweder in einem Fahrrad mit Hilfsmotor, das ab 1954 offizell Moped genannt wurde, an (max. 30 kg Gewicht plus 10% Toleranz, Mindest-Raddurchmesser 580mm, Tretkurbeln mit 125mm Länge) oder in einem Motorfahrrad (schwerer als 33 kg, Pedale, keine Höchstgeschwindigkeit, Führerschein Klasse 4).
Ab jetzt kommt Alfred Kreidler ins Spiel, dessen Zweiräder nicht in dieses Schema paßten. Durch ihr höheres Gewicht als 33 kg waren es weder Mopeds und mit Fußrasten und Kickstarter auch keine Motorfahrräder. Damit hatte Kreidler die Klasse der Kleinkrafträder geschaffen, die sich anschließend in der Lex Kreidler niederschlug, als der Gesetzgeber am 24.08.1953 die STVZO erneut änderte.
Die Kleinkrafträder überfluteten in Folge den deutschen Markt, wobei auch ausländische Hersteller, teilweise über Versandhäuser vertrieben, den deutschen Platzhirschen die Suppe zu versalzen versuchten, bis Mitte der 80er-Jahre der Markt für Kleinkrafträder aufgrund der neu eingeführten Leichtkrafträder völlig zusammenbrach.